Am Ziel in Alaska!
Nach rund 1.000 km durch die Wildnis Alaskas sind wir an unserem Ziel, dem kleinen Ort Healy am Fuß des
Mt. Denali, angekommen! 20 Jahre nach Günters Aufbruch in Feuerland geht damit die lange Reise von Argentinien
bis Alaska zu Ende. 30.000 km hat Günter im Sattel zurückgelegt. Barbara begleitete ihn von Ecuador bis Mexiko
und ich bin seit sieben Jahren dabei und gemeinsam mit Günter von der mexikanischen Grenze bis Alaska geritten.
Doch Günter besteht darauf, die wahren Helden der Reise, das sind die Pferde: die Criollos Rebelde und Gaucho,
die ihn von Argentinien bis Mexiko begleitet haben und die Mustangs Dino, Azabache, Rusty und Lightfoot mit denen
wir durch die USA und Kanada und bis nach Alaska geritten sind. Den Pferden gebührt die Anerkennung.
Ein kleines Pferdeparadies, das haben wir uns am Ziel der Reise gewünscht. Etwas, das in Alaska
nicht leicht zu finden ist, ganz sicher nicht in den Ölfeldern am arktischen Ozean. Daher wollten wir unseren Ritt
nicht in Prudhoe Bay, sondern im grünen Herzen Alaskas beenden. Am Ziel erwartete uns genau das, was wir
uns für unsere Ankunft erhofft haben: kein Empfangskomitee, keine Party, keine Musikkapelle -
sondern eine riesige Weide, mit saftigem Gras.
Wir nahmen die Halfter ein letztes Mal ab und Dino, Azabache, Rusty und Lightfoot wälzten sich genüsslich,
dann galoppierten sie los, ausgelassen und kraftvoll sprangen sie davon. Selbst Dino, den so schnell nichts
aus der Ruhe bringt, machte einen Bocksprung wie ein junges Fohlen. Es ist ihre Intuition, die Pferde wissen
Bescheid - das Nomadenleben ist zu Ende, ab jetzt gibt es nur noch Fressen, Schlafen und Spielen,
einen ganzen nordischen Winter lang.
Es war ein spannender Sommer. Alaska hatte einige Überraschungen und Herausforderungen zu bieten, und
nicht alles lief so, wie geplant. Selbst Günter erlebte Situationen, die für ihn völlig neu waren. Doch so wird auch
nach 20 Jahren die Reise nicht langweilig.
Unser Ritt durch Alaska startete an der Grenze in Beaver Creek. Nach all den Schwierigkeiten, die Günter auf
seiner Reise an den verschiedensten Grenzen hatte, war die Einreise nach Alaska eine erfreuliche Ausnahme.
Wir hatten unsere Papiere und die Gesundheitszeugnisse der Pferde an der Grenzstation vorgezeigt, und
durften dann zurück nach Kanada fahren, um über die grüne Grenze in den 49. Bundesstaat zu reiten.
Unsere Route führte uns mitten hinein in den Wrangell-St. Ellias Nationalpark, den größten Nationalpark der USA.
Es ist ein untypischer Nationalpark – hier gibt es keinerlei touristische Einrichtungen und wir benötigen keine
Genehmigungen, dafür durften wir auch nicht mit Hilfe rechnen. „Das ist Wildnis für Erwachsene“, hatte uns
eine Park-Rangerin erklärt, „Hier musst du dir selbst helfen können, nicht so wie im Denali Nationalpark,
wo gleich ein Helikopter kommt.“
Neun der 16 höchsten Berge Nordamerikas liegen in diesem Park und einige der größten Eisfelder der Welt,
deren Schmelzwasser in reißenden Gletscherflüssen durch die Täler strömt. Zwei dieser Flüsse würden wir
auf unserer Route durchqueren müssen, den Chisana und den Nabesna River.
Als wir Mitte Juni an den Chisana River kamen, war der Fluss noch gefroren, riesige Eisschollen bedeckten
das gesamte Flussbett, das die gigantische Breite von etwa einer Meile hat. Ein Stück flussaufwärts entdeckten
wir eine eisfreie Stelle. Das Flussbett war auch hier sehr breit, doch der Fluss teilte sich in zahlreiche Kanäle,
die wir einen nach dem anderen queren konnten. Der Wasserspiegel war niedrig, es hatte seit Wochen nicht
geregnet. Wir hofften, die Trockenperiode würde weiterhin anhalten, bis wir auch den zweiten Fluss,
den Nabesna, überquert hatten.
Doch zwei Tage später saßen wir in unserem Lager hoch über dem Cooper Creek und starrten auf den Fluss.
Es war faszinierend und schockierend. Der Wasserspiegel war über Nacht um zwei Meter gestiegen. Der kleine
Bach vom Vorabend hatte sich in rauschendes Wildwasser verwandelt. Es hatte mit einem heftigen Gewitter
begonnen und seither, seit über zwölf Stunden, regnete es.
Der Fluss veränderte sich ständig, drängte sich mal an die eine, dann an die andere Felswand, gab Steine frei
und verschluckte sie wieder. Das dumpfe Rollen der Steine, die von den Wassermassen mitgerissen wurden,
dröhnte zu uns herauf. Unser Lager stand knöcheltief unter Wasser und die Pferde hatten die Wiesen rundum
weitgehend abgegrast, doch es blieb uns nichts anderes übrig, als zu bleiben. Denn unser weiterer Weg lag
genau dort, wo jetzt das Wildwasser tobte – zwischen den Felswändendirekt im Flussbett! Nun konnten wir
weder vor noch zurück, wir waren gefangen zwischen den Flüssen.
Als wir vier Tage später an den Nabesna River kamen, waren wir beide schockiert. Das war kein Fluss, das
war ein Meer. Aber vielleicht ist er ja nur breit, aber nicht tief? Doch kaum waren wir im Wasser, hatten die
Pferde bereits keinen Boden mehr unter den Hufen, die starke Strömung riss uns mit sich fort. Entsetzt und
tropfnass kehrten wir ans Ufer zurück. Die Pferde zitterten, das Wasser war eiskalt.


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